Seid ihr

so wie wir?

 

Unterrichten an der Staatlichen Universität Burjatiens

 Der "Sowjetplatz" vor der Universität wird beherrscht vom größten Lenin-Kopf der Welt, der in seiner sibirischen Verbannung mißtrauisch an Coca-Cola-Sonnenschirmen vorbei auf die Fremdsprachenfakultät schielt. Ursprünglich hätte zum Kopf auch ein Körper gemeißelt werden sollen, sagt man mir, aus unklaren Gründen konnte der Bildhauer seine Arbeit aber niemals beenden. Sie wuchs ihm wohl buchstäblich über den Kopf.Vielleicht ist das ganz gut so, denn sonst könnte die große Zehe der Statue heute den auf der anderen Seite des weitläufigen Platzes im dritten Stock gelegenen Lehrstuhl für deutsche Sprache kitzeln. Tatsächlich drehen nun täglich unzählige StudentInnen und Lehrkräfte dem einst mächtigen Symbol des Kommunismus den Rücken, wenn sie das Universitätsgebäude betreten.

Der Universitätsbetrieb in Ulan-Ude verläuft gemütlich, familiär – und sehr geregelt. Keine langen Schlangen, keine Drängereien und keine Vorlesungsverzeichnisse. Die braucht man auch nicht, jeder Jahrgang hat einen fixen Stundenplan im Zwei-Wochen-Rhythmus. Organisatorische Initiative ist immer noch nicht sehr gefragt im Land. Dafür umso mehr Fleiß und Wissensdurst.

Der KollegInnenkreis an der Universität nimmt mich sehr herzlich auf. Als ich Lena begegne, der Bibliothekarin, müssen wir lachen: die „sehr geehrte Frau Olsonova“ diverser E-Mails ist kaum älter als ich, keine 30. Schenja, die Institutssekretärin, die eben ihr Studium abschließt, zeigt mir die ganze Universität samt unterirdischen Schleichwegen, und meine Kollegin Jaroslava ist mir von Anfang an eine gute Freundin. Und alle sprechen ausgezeichnet Deutsch, selbst die Studentinnen und Studenten sind sehr gut.

Ich bin die erste Praktikantin aus Österreich, geschickt von Österreich-Kooperation (ÖK) und Wissenschaftsministerium, und mir wird jede Freiheit in der Gestaltung des Unterrichts gewährt. Ich möchte dem bisher vor allem an Deutschland orientierten Lehrstuhl kleine Mosaiksteinchen eines Österreich-Bildes anbieten: Ernst Jandl, „Zeit im Bild“, Kottan.
Der Unterricht ist ein Vergnügen. Die Studierenden freuen sich über jede Gelegenheit, mit Muttersprachlern reden zu können und interessieren sich für alles.
Wir reden über Geschichte und Politik und dichten auch bisschen, nach Jandls "Rezepten". Aber am wichtigsten, dringendsten ist doch immer wieder die Frage: Wie ist die Jugend in Österreich? Wo gehen junge Leute hin? Was für Musik hören sie? Was ziehen sie an? Sehen sie aus wie wir?



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